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Selen

Als Jöns Jakob Berzelius im Jahr 1817 das Selen entdeckte, hielt er es zunächst für das Element Tellur (lateinisch „tellus“ = Erde), was sich aber trotz der Ähnlichkeit der beiden als Fehlschluss herausstellte. Ein Jahr später erkannte Berzelius seinen Irrtum und nannte das neuentdeckte Element Selen, nach dem griechischen selḗnē für „Mond“, als Gegenstück zur Erde.

In der Natur kommt Selen in zahllosen organischen und anorganischen Verbindungen vor, weshalb es auch in nahezu allen Lebensmitteln vorhanden ist – dies aber mit gewaltigen Einschränkungen: Tiere nehmen Selen mit den Futterpflanzen auf, diese wiederum beziehen ihr Selen aus dem Boden, auf dem sie wachsen. Da der Selengehalt von Böden aber so stark schwankt wie bei kaum einem anderen Spurenelement, ist auch die Menge an Selen in unseren Lebensmitteln starken regionalen Schwankungen unterworfen. In den USA ist reichlich Selen im Boden enthalten, Mittel- und Nordeuropas Äcker hingegen leiden unter einem Selenmangel. Aus diesem Grund wird in Finnland seit 1984 selenhaltiger Dünger auf die Felder ausgebracht;[1] hierzulande wird dem Viehfutter Selen zugesetzt.[2]

Selen im menschlichen Körper

Zwar kann unser Körper Selen aus pflanzlichen Lebensmitteln besser verwerten als solches aus tierischen, da aber eine rein vegane Kost wesentlich weniger Selen enthält als eine solche mit Fleischanteil, ist unter ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten eine ausgewogene Mischkost mit tierischen Bestandteilen zu empfehlen. Wer sich dennoch rein vegan ernähren möchte, sollte dringend auf seinen Selenspiegel achten und diesen ggf. mit Nahrungsergänzungsmitteln auffüllen.

Unser Dünndarm filtert das Spurenelement Selen aus der Nahrung heraus und befördert es zur Leber, wo es in verschiedene Proteine eingebaut und in sämtliche Gewebe des Körpers transportiert wird. Dort erfüllt es zahlreiche Funktionen: Es unterstützt unser Immunsystem, wirkt als Antioxidans, bindet Schwermetalle, ist an der Bildung der DNA beteiligt und an der Spermienproduktion, überwacht das Zellwachstum und auch den Zelltod (z. B. bei Tumorzellen) und – last but not least – ist es maßgeblich an der Aktivierung bzw. Deaktivierung der Schilddrüsenhormone beteiligt.

Damit unsere Schilddrüse gut funktioniert, muss das Hormon T4 in das Hormon T3 umgewandelt werden – für diesen „Dejodase“ genannten Vorgang wird zwingend Selen gebraucht. Leiden wir unter einem Selen-Mangel, ist eine Schilddrüsenunterfunktion nicht mehr weit. Menschen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis wird oft hochdosiertes Selen verordnet, um die Entzündungsaktivitäten in der Schilddrüse zu vermindern.[3]

Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass diese Präparate nicht mit hochdosiertem Vitamin C kombiniert werden, da ein Zuviel an Vitamin C die Aufnahme von Selen hemmt.[4] Vitamin E hingegen verträgt sich sehr gut mit Selen – die beiden unterstützen sich bestens in ihrer Funktion als Antioxidans (also beim Schutz gegen freie Radikale) und können sich sogar teilweise ersetzen.[5]

Leiden wir unter einem Selen-Mangelzustand, so passiert in unserem Körper Erstaunliches: Das im Körper vorhandene Selen wird umverteilt – hormonproduzierende und Fortpflanzungsgewebe sowie das zentrale Nervensystem erhalten den Großteil des Selens, die Muskulatur und die Leber haben das Nachsehen. Es scheint also eine Selen-Hierarchie zu geben, die aktiv die lebenswichtigsten Körperfunktionen aufrechterhält.[6]

Verwendung in der Industrie

Die Industrie nutzt Selen zur Herstellung rot gefärbter Gläser und zum Entfärben von grünen Gläsern. Auch in Solarzellen und Stahl findet es sich – und in Anti-Schuppen-Shampoos.

Funktionen von Selen

  • Bildung von Schilddrüsenhormonen
  • Unterstützung des Immunsystems
  • Antioxidans (Schutz vor freien Radikalen)
  • Bindung von Schwermetallen
  • Bildung der DNA
  • Bildung der Spermien

Symptome eines Mangels

Grundsätzlich ist die Bioverfügbarkeit von Selen aus pflanzlichen Lebensmitteln höher als aus tierischen – da Mittel- und Nordeuropa aber zu den „Selenmangelgebieten“ gehört, unsere Lebensmittelpflanzen also nicht genügend Selen aus dem Ackerboden aufnehmen können, ist das Verspeisen von tierischen Nahrungsmitteln sehr zu empfehlen, da deren Futtermittel und somit auch das Fleisch mit Selen-Zusätzen angereichert werden.

Ein gesunder Mensch, der sich ausgewogen mischköstlich ernährt, sollte von einem Selenmangel verschont bleiben.[7] Enthält unsere Nahrung jedoch viele Schwermetalle (z. B. durch sauren Regen) oder nehmen wir hochdosiertes Vitamin C zu uns, ist die Aufnahmefähigkeit unseres Körpers für Selen reduziert. Auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn), Mukoviszidose, Tuberkulose, verschiedene Tumorarten, Rauchen, Alkoholismus oder eine Niereninsuffzienz können zu einem Selen-Mangel führen. Folgende Symptome können auf einen Selen-Mangel hindeuten:

  • Müdigkeit
  • Leistungsabfall
  • Haarausfall
  • Veränderungen der Nägel
  • Schwächung des Immunsystems
  • Gestörte Spermienbildung
  • Gestörte Muskelfunktion (Myopathie)
  • Rheumatische Beschwerden
  • Arthritische Beschwerden
  • Neuropathien
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • Erkrankung des Herzmuskels (Keshan-Krankheit)
  • Gelenkveränderungen und verringertes Knochenwachstum (Kashin-Beck-Krankheit)

Symptome eines Überschusses

Sofern man keine hochdosierten selenhaltigen Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt, ist ein Selen-Überschuss nicht zu befürchten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die sichere Höchstmenge, die keine Nebenwirkungen hervorruft, bei 300 µg pro Tag für einen gesunden Erwachsenen festgelegt.[8]

Wird dieser Wert fortwährend überschritten (z. B. bei Arbeitern in der Glas-, Farben- und Elektronikindustrie oder durch zu viele Nahrungsergänzungsmittel), kann eine Selen-Vergiftung („Selenose“) auftreten, die sich wie folgt äußert:

  • Übelkeit, Erbrechen
  • Erschöpfung
  • Haarausfall
  • Schuppige Hautveränderungen
  • Veränderung der Nägel
  • Fleckige Zähne
  • Gelenkschmerzen
  • Neuropathien
  • Sehstörungen
  • Nach Knoblauch riechender Atem
  • Bei schwerer Vergiftung: Kammerflimmern und Herzversagen

Tagesbedarf

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat die untenstehenden Richtwerte bezüglich der täglichen Zufuhr an Selen herausgegeben,[9] wobei es sich aufgrund der relativ „dünnen“ Studienlage (noch) um Schätzwerte handelt:[10]

Säuglinge (0 – 4 Monate)                  10 µg

Säuglinge (4 – 12 Monate)                15 µg

Kinder (1 – 4 Jahre)                           15 µg

Kinder (4 – 7 Jahre)                           20 µg

Kinder (7 – 10 Jahre)                         30 µg

Jugendliche (10 – 13 Jahre)              45 µg

Jugendliche (13 – 15 Jahre)              60 µg

Jugendliche (15 – 19 Jahre)              60 µg (w) – 70 µg (m)

Erwachsene                                       60 µg (w) – 70 µg (m)

Schwangere                                       60 µg

Stillende                                             75 µg

Wie viel Selen steckt in LCHF geeigneten Lebensmitteln?

Wie viel Selen in unseren Nahrungsmitteln enthalten ist, ist stark abhängig vom Selen-Gehalt des Bodens. Je weniger Selen im Ackerboden vorhanden ist, desto weniger können Pflanzen aufnehmen und speichern – nur wenig Selen ist in Böden und entsprechend den Pflanzen in Nord- und Mitteleuropa enthalten; aus Nordamerika importierte pflanzliche Lebensmittel weisen einen wesentlich höheren Selen-Gehalt auf.

Dass die Lebensmittel mit dem höchsten Selen-Gehalt in erster Linie tierischen Ursprungs sind, liegt daran, dass hierzulande den Futtermitteln der Tiere Selen zugesetzt wird, sodass sie nicht an einem Selen-Mangel erkranken – dementsprechend viel Selen findet sich dann in unseren tierischen Nahrungsmitteln.

Aufgrund dieser regional höchst unterschiedlichen Selen-Werte in unseren Lebensmitteln ist es mehr als schwierig, verlässliche Aussagen hierzu zu treffen. Die in der Tabelle angegebenen Selen-Werte (µg) und die Kohlenhydrat-Werte (g) beziehen sich auf jeweils 100 g des genannten Lebensmittels und sind lediglich als Durchschnitts- bzw. Schätzwerte zu verstehen:

Lebensmittel

Selen µg

KH g

Kokosnuss frisch

810,0

2,0

Bückling

140,0

0,0

Paranuss

100,0

3,5

Thunfisch

82,0

0,0

Shrimps/Garnelen

63,0

0,8

Sardine

60,0

0,0

Schweineleber

58,0

2,6

Hering

55,0

0,0

Hühnerleber

55,0

6,0

Rotbarsch

44,0

0,0

Makrele

39,0

0,0

Rindfleisch

35,0

0,7

Scholle

33,0

0,8

Bismarckhering

31,7

3,2

Aal frisch

31,0

0,0

Schellfisch

29,0

0,0

Seezunge

29,0

0,0

Auster

28,0

3,9

Kabeljau

27,0

0,0

Lachs frisch

26,0

0,0

Schweinefleisch

25,0

0,4

Forelle frisch

25,0

0,0

Barsch

24,0

0,0

Rinderleber

21,0

6,4

Hühnerei

18,0

0,7

Rosenkohl

18,0

2,2

Hecht

18,0

0,0

Brathähnchen

12,7

0,3

Emmentaler

11,0

0,0

Chesterkäse

11,0

0,0

Gouda

9,7

0,0

Walnuss

6,0

10,6

Haselnuss

5,0

10,5

Schwarztee

5,0

0,0

Paprika grün

4,0

2,9

Paprika rot

4,0

6,4

Aubergine

4,0

2,5

Weißkohl

3,0

4,2

Camembert

3,0

0,0

Johannisbeere schwarz

2,0

10,3

Grünkohl

2,0

1,6

Joghurt 10 %

2,0

4,0

Mandeln

2,0

3,7

Rettich

2,0

1,9

Edelpilzkäse

2,0

1,0

Rotkohl

1,0

2,8

Spinat

1,0

0,6

Johannisbeere rot

1,0

7,3

Porree

1,0

2,5

Möhre

1,0

4,8

Blumenkohl

1,0

1,6

Broccoli

1,0

1,9

Butter

1,0

0,6

Buttermilch

1,0

4,0

Erdbeeren

1,0

5,5

Gurke

1,0

1,8

Kohlrabi

1,0

3,7

Kopfsalat

1,0

1,1

Rote Beete

1,0

6,1

Spargel

1,0

1,6

Tomate

1,0

2,6

Wirsing

1,0

1,7

Zucchini

1,0

2,0

Quellen

[1] Selen in der Umweltmedizin. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. 49, 2006

[2] Bundesinstitut für Risikobewertung: Domke A, Großklaus R, Niemann B, Przyrembel H, Richter K, Schmidt E, Weißenborn A, Wörner B, Ziegenhagen R (Hrsg.) Verwendung von Mineralstoffen in Lebensmitteln – Toxikologische und ernährungsphysiologische Aspekte, Teil 2, BfR-Hausdruckerei Dahlem, 2004

[3] https://edoc.ub.uni-muenchen.de/751/

[4] Hahn A, Ströhle A, Wolters M: Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2006

[5] http://www.vitalstoff-lexikon.de/index.php?PHPSESSID=qgobh46340okkda5q4q72fk0t4&activeMenuNr=5&menuSet=1&maincatid=171&subcatid=451&mode=showarticle&artid=534&arttitle=Interaktionen&

[6] Biesalski HK, Fürst P, Kasper H et al.: Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 3. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2004

[7] Drobner C, Anke M, Thomas G.: Selenversorgung und Selenbilanz Erwachsener in Deutschland. In: Mengen und Spurenelemente (16. Arbeitstagung), Anke M et al. (Hrsg.), Schubert H: Leipzig (1996)

[8] Scientific Committee on Food (SCF) and Scientific Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA) of EFSA, Tolerable Upper Intake Levels for Vitamins and Minerals, European Food Safety Authority 2006

[9] https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/faq/selen/

[10] https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/selen/#ad9

Andrea Texterin der Serie VItamine und Mineralstoffe

Andrea tauchte im April 2016 im LCHF-Forum auf und erfreut uns seitdem nicht nur mit ihrer Anwesenheit, sondern auch mit ihrem erfrischendem Schreibstil, den sie auch beruflich mit vollem Herzblut auslebt.

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