Rein in die Komfortzone – Teil 2

Wir haben uns schon in Teil 1 dieser kleinen Serie „Rein in die Komfortzone“ über die Balance von Herausforderung und Rückzug Gedanken gemacht.

Gut möglich, dass du beim Ausprobieren schon Erfahrungen damit gemacht hast – und dass du jetzt wissen willst, warum du ständig überall liest, dass du raus aus der Komfortzone MUSST.

Und warum ich dir den umgekehrten Weg anbiete.

Inhaltsverzeichnis

Action = Satisfaction?

Es gibt ein paar Leute, die können mir überhaupt nicht folgen, wenn ich vorschlage, bei sich selbst innendrin Erholung zu suchen. Das sind die sehr extravertierten Menschen.

Extraversion heißt nämlich, dass jemand Energie tankt, wenn er Action hat – idealerweise unter Leuten. Für sehr extravertierte Persönlichkeiten ist es unendlich anstrengend, einen Nachmittag alleine auf dem Sofa zu verbringen und ein Buch zu lesen. Sobald sie aber in einer vollbesetzten Kneipe im Rudel mit Freunden oder in einer Turnhalle auf intensiver Tuchfühlung mit ihrem Team sind, leben sie auf. Und haben hinterher mehr Energie als zuvor.

Ich glaube, es war genau diese Sorte Mensch, die die Idee von „Raus aus der Komfortzone!“ in die Welt gebracht hat. Denn wenn Extravertierte zu lange in ihrer abgeschlossenen inneren Welt bleiben, werden sie antriebslos und müde.

In der Ruhe entsteht die Kraft

Und da sind wir bei den Introvertierten – die für ihren Energiehaushalt Ruhe, Rückzug und einen guten Kontakt zu sich selbst brauchen. Die ihre Kraft aufbrauchen, wenn sie keine Möglichkeit kriegen, sich Zeit für sich zu nehmen.

Introvertierte werden antriebslos und müde, wenn sie zu lange nicht in ihre innere Welt eintauchen dürfen – und sie sind von der Parole „Raus aus der Komfortzone!“ meist völlig überfordert.

Weil sie es nicht schaffen, immer wieder „aus sich rauszugehen“ – allein dieser Ausdruck macht mich schon unenspannt – entstehen Versagensgefühle. Mit der Zeit bekommt man ein diffuses schlechtes Gewissen und das sichere Gefühl, nicht in diese Welt hineinzupassen.

Wenn du eine innere Tankstelle brauchst

Auftanken ist wichtig – für die sehr extravertierten Menschen genau wie für die sehr introvertierten.

Nebenbei bemerkt: Die Mehrzahl der Menschen ist irgendwo in der Mitte zwischen den beiden Extrempolen. Nicht wenige können sowohl still bei sich selbst als auch in einem aktiven Umfeld mehr oder weniger gut Energie tanken.

Wenn du jetzt für dich denkst, dass du mehr nach drinnen tendierst, sobald du erschöpft bist, ist die gute Nachricht: Du darfst dich immer dann zurückziehen, wenn du neue Energie brauchst. Menschen, die das Gegenteil behaupten, sind anders als du – aber keineswegs besser!

Mach es dir schön in deiner Komfortzone. Und zwar mittendrin!

Das Zonen-Randgebiet – where the magic happens!

Es gibt ein sogenanntes Komfortzonen-Modell. Das besteht aus drei Bereichen, und es wird in der Regel in Kreisen aufgezeichnet.

Das Komfortzonenmodell

Da gibt es den Mittelpunkt, eben die Komfortzone. Und es gibt die sogenannte Wachstums- oder Entwicklungszone (engl. Stretch Zone), die daran angrenzt. Wenn man über die hinausgeht, landet man in der Panikzone – wo keine Entwicklung, sondern nur noch Hilflosigkeit, Überforderung und Abwehr entsteht.

Bereich where the magic happens außerhalb der Komfortzone

Ich glaube, dass Extravertierte eine kleine Komfortzone und eine seeehr große Wachstumszone haben. Dadurch ist die Panikzone gefühlt sehr weit entfernt. So weit, dass sie in der Zeichnung gar nicht mehr sichtbar ist.

(Dieses „Where-the-Magic-happens-Bild“ sehe ich sehr häufig ohne weitere Erklärung z.B. auf Facebook. Es wird gerne geteilt, weil es so schön leistungsorientiert ist. Da niemand dazu schreibt, dass unmittelbar hinter der „Magic“ die Überforderung lauert, vermittelt es ein ziemlich schiefes Bild, finde ich.)

Die Intros – und da gehöre ich selber dazu und kann aus eigener Erfahrung berichten – haben eine relativ schmale Entwicklungszone und landen schnell bei Panik oder jedenfalls Überforderungsgefühlen. Allermeistens empfinden sie die Komfortzone in der Mitte als sehr klein und ungemütlich. Schlechtes Gewissen inklusive.

Rein in die Komfortzone, erweiterung der Stretchzone

Und doch ist da Spielraum. Innerhalb der Komfortzone – und an ihrem schmalen Rand zwischen Unterforderung und Überforderung.

Keine Panik. Unter gar keinen Umständen!

Wenn du dich überforderst und in deiner Panik-Zone landest (egal ob als Extro oder Intro), dann entstehen ungute Gefühle, die dich zurückhalten. Gehst du dennoch weiter über deine Grenzen, dann werden die Gefühle deutlicher. Wenn du dann weiter Druck auf dich selbst ausübst, schaltet die Psyche auf Störung um: Panik, Ängste, Phobien, Blockaden, Depressionen, Burn-Out…

Das Unbewusste hat viele Mittel und Wege, um dich auszubremsen, wenn du nicht gut für dich sorgst. Und eines davon ist… Tadaaa: Übergewicht!

Daher sind zwei Dinge wichtig:

  1. Finde heraus, wo deine Komfortzone ist und wo sie endet. Mach dir außerdem klar, woran du Überforderung erkennst, damit du dich innerhalb deiner Grenzen entspannt entwickeln kannst.
  2. Wenn du dich kurzzeitig überfordert hast, dann gehr rein in die Komfortzone und sorge für einen Ausgleich mittendrin, der dich wieder in der Entspannung ankommen lässt. Nie, nie, nie, nie, niemals ist es nötig, in der Panik-Zone zu bleiben!

Wie kriegt man ein gutes Verhältnis zum Wohlfühl-Zentrum?

Wie in jeder guten Beziehung.

Durch wohlwollendes Kennenlernen und liebevollen Umgang. Und durch Klarheit schaffen, wenn es doch mal zu Missverständnissen kommen sollte.

Wenn in Teil 1  von „Rein in die Komfortzone“ von den ganz persönlichen inneren Repräsentationen die Rede war, die unter dem Sammelbegriff „Komfortzone“ daherkommen, dann geht es darum, für dich selbst zu entdecken, was dahinter steckt.

Eine schnelle Übung

Erinnere dich an drei erfreuliche Erfahrungen, die du mitten in deiner Komfortzone gemacht hast. (Wenn dir nur zwei Erinnerungen einfallen, dann denkst du dir die dritte eben aus.)

Spür mal, welche sich am intensivsten nach Komfortzone anfühlt. Mit der machst du weiter.

Wo ist das Gefühl in deinem Körper – wo spürst du am allermeisten, dass deine Erinnerung eine „komfortzonige“ ist? Wie weit ist das Gefühl ausgedehnt? Endet es abrupt oder diffus? Hat es einen Mittelpunkt oder ist es eher unkonkret?

Die nächsten Fragen klingen ein bisschen gaga, aber es schadet ja nichts, sie mal auszuprobieren:

  • Hat das Gefühl eine Farbe? Oder hat es einen Klang? Bewegt es sich? Verändert es sich, wenn du ihm wohlwollende Aufmerksamkeit gibst?
  • Kannst du dem Gefühl mehr Raum geben? Die Farbe so weit fließen lassen, wie sie möchte? Den Klang ausdehnen?

Klappt nicht? – Macht nichts. Es geht nur darum, dass du interessiert und positiv einen Moment mit deinem Komfortzonen-Gefühl verbringst.

Und dann: Achte mal darauf, ob dir in diesem Gefühl ein Symbol für deine Komfortzone einfällt. Vielleicht blitzt ein Bild in deinem Kopf auf. Oder ein Wort. Oder die Farbe symbolisiert dein Gefühl. Egal, was dir einfällt, nimm es als „Anker“, als Erinnerung an dein Komfortzonen-Gefühl.

Über dieses Symbol kommst du bei Bedarf jederzeit rein in die Komfortzone. Egal, wo du bist, das Komfortzonen-Gefühl ist immer dabei. Erinnere dich einfach an dein Ankerbild, dein Ankerwort, deine Ankerfarbe – und lass das Gefühl, das du dazu hast, entstehen.

Dann atmest du ein paar mal durch und freust dich über deinen inneren Rückzugsort.

Ich wünsche dir die genau richtige Balance von Entwicklung und Entspannung, von Veränderung und Vertrautheit.

Sei du selbst, lass die anderen anders sein.

Deine Christine

Beitragsbild Christine Winter Komfortzone Serie

Christines Webseiten

Christine bloggt auf Stille-Stärken.de für Menschen, die von Sprechblockaden betroffen sind oder die sich aufgrund ihrer introvertierten Eigenheiten für „zu still“ halten. Sie hat selbst fast 30 Jahre lang mit einer Kommunikationsstörung gelebt und weiß, wie es ist, wenn man eine Blockade einfach nicht überwinden kann.

Weil es ihr sehr am Herzen liegt, andere Menschen mit ihrer Erfahrung bei schwierigen Veränderungsschritten und Blockaden zu unterstützen, ist sie Trainerin für persönliche Entwicklung und Hypnosecoach geworden.

Anfang 2013 ist Christine über LCHF gestolpert, nachdem sie in einem Buch gelesen hatte, dass sich das Gehirn auch von Fett „ernähren“ kann, wenn man ihm keinen Zucker mehr gibt. Das fand sie spannend und wollte es unbedingt sofort ausprobieren. Dass sie seither „nebenbei“ 20 Kilos verloren hat, ist ein erfreulicher, aber für sie gar nicht sooo wichtiger Zusatzeffekt.

Christines Texte auf LCHF.de

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