Eine kohlenhydratarme Ernährung hat eine beruhigende Wirkung auf den Blutzucker – ein Grund, weshalb LCHF gerade auch für Diabetiker große Vorteile mit sich bringt. Das wird auf LCHF.de durch bemerkenswerte Erfolgsgeschichten von Diabetikern wie Rainer, Frank Linhoff, Lindka1010, Es Perlsche und Lars-Erik Litsfeldt unterstrichen. Was mir bislang fehlte, war ein Bericht von jemandem, der LCHF bei Typ-1-Diabetes ausprobiert hat.
Daher war mir, als ich die Mail von Stefan erhielt, umgehend klar, dass ich quasi wieder „einen echten Diamanten“ vor mir hatte. Stefan hat nämlich Typ-1-Diabetes und kann mit einer technischen Finesse aufwarten: einem kontinuierlichen Glukosemesssysytem!
Laienhaft gesagt handelt es sich dabei um ein Messsystem, bei dem der Sensor fest im Körper „steckt“, der automatisch die Blutzuckerwerte misst. Der Sensor sendet die gemessenen Blutzuckerwerte an einen Empfänger und die Werte werden aufgezeichnet. Stefan stellt hier zwei Aufzeichnungsmonate zur Verfügung, einmal unter normaler Kost und einmal unter LCHF, umrahmt von einem interessanten Erfahrungsbericht. DAS muss man wirklich gesehen haben!
Stefans Artikel habe ich in drei Abschnitte unterteilt:
Seit Anfang 2013 habe ich Typ-1-Diabetes. Wahrscheinlich sogar schon etwas länger, aber im Februar 2013 war die offizielle Manifestation. Leider hatte man mich zu Beginn fälschlicherweise als Typ-2-Diabetiker eingestuft, was mich dann innerhalb weniger Wochen satte 32 kg meines Körpergewichts gekostet hatte bis man die richtige Diagnose gestellt und dementsprechend die Behandlung geändert hatte. Das hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt – ab sofort drehte sich ein großer Teil meiner Zeit darum zu erlernen den Blutzuckerspiegel zu managen.
Dass ich durch die falsche Anfangsdiagnose fast mein komplettes Übergepäck losgeworden war, war im Grunde nicht schlimm. Dummerweise beruhte dieser Gewichtsverlust jedoch nicht auf einer gesunden Abnahme, sondern auf einer massiven Stoffwechselentgleisung, bei der so ziemlich alle Gleichgewichte eines gesunden Körpers nicht mehr gegeben waren. So wie sich diese Gleichgewichte langsam wieder einstellten und mein Körper sich von dem Substanzverlust erholte, kamen auch ein paar der zuvor verdampften Kilos wieder zurück.
Mein Leben lebte ich fortan deutlich bewusster, ernährte mich gesünder und ich fing wieder an regelmäßig Sport zu treiben. Das ursprüngliche Versäumnis dieser Dinge war zwar nicht die Ursache für meinen Diabetes, aber mit Sicherheit nicht ganz schuldlos an meinem Übergewicht. Meine Krankheit hatte ich recht schnell akzeptiert, den Schwung, den mir dieser gesundheitliche A….tritt verpasste, nutzte ich, um das beste aus der Lage zu machen und ich lernte sehr schnell zu schätzen, wie leicht es sich mit etlichen Kilos weniger auf den Rippen lebt.
Eine große Herausforderung blieb es, den Blutzuckerspiegel mit Hilfe von Insulin-Injektionen möglichst gut zu regulieren und auch das inzwischen sehr geschätzte niedrigere Körpergewicht zu halten. Trotz Sport hatte ich mit der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) empfohlenen Ernährung – mit einer deutlichen Betonung auf den Kohlenhydraten – Probleme mein Gewicht zu halten. Dass Insulin dafür sorgt, dass die Glukose aus dem Blut in die Zellen befördert wird und im Falle eines Überangebotes eben auch in die Fettzellen, war mir bekannt. Dass Insulin aber auch dafür sorgt, dass das Fett dort als Vorrat liegen bleibt, solange es andere Energieangebote gibt, musste ich dann lernen. Diese Eigenschaft ist aber unabhängig davon, ob man das Insulin auf natürlichem Wege erhält oder per Injektion von außen.
Als dann eine befreundete Bloggerin immer wieder mal über Low Carb Ernährung schrieb, fing ich an mich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Mein größtes Problem war bis dahin, dass ich immer mit postprandialen Blutzuckerspitzen zu kämpfen hatte, d.h. mit hohen Werten nach dem Essen, egal was ich auch dagegen unternommen hatte. Ich machte ausgiebige Experimente mit Spritz-Ess-Abständen, Bolusfaktoren, glykämischem Index, Vollkornprodukten etc.. Die Ergebnisse waren dürftig. Meistens stieg mein BZ (Blutzucker) nach dem Essen auf Werte über 250 mg/dl und verharrte dort längere Zeit. Eine Erhöhung des Bolus endete meistens mit einem Überschwingen in den Hypobereich. Auch der Verzehr von Vollkornprodukten lieferte keine Ergebnisse, die mich auf Dauer und vor allem reproduzierbar zufriedengestellt hätten.
Mein Ziel war es also den Insulinspiegel zu senken und deshalb habe ich zunächst die kleinen Zwischenmahlzeiten zwischen meinem Frühstück um 5:30 Uhr und dem Mittagessen gegen 12:30 Uhr sowie zwischen dem Mittagessen und dem Abendessen gegen 19:00 Uhr weggelassen. Das hat das Problem mit den postprandialen Spitzen zwar nicht gelöst, in dieser Zeit konnte aber zumindest mein BZ-Spiegel und auch mein Insulinspiegel für einige Stunden im normnahen Bereich verharren, was ganz bestimmt nicht schädlich für mich war. Allerdings habe ich in diesen Stunden doch ganz schön Kohldampf geschoben. Dann habe ich mich daran erinnert, dass die Sättigung bei Low Carb angeblich länger anhalten soll.
Also habe ich einen Low Carb Versuch gemacht. Diesen Versuch habe ich gestartet, als ich mit einem Kollegen an unserem Hauptfirmensitz in Italien war. Gerade bei den Dienstreisen in Italien hatte ich immer Schwierigkeiten, den Bolus richtig zu schätzen. Am Ende der Low Carb-Woche konnte ich Blutzuckerverläufe vorweisen, wie ich sie selten zuvor dauerhaft hatte und musste auch keinen Kohldampf schieben. Das war ein Ergebnis, dass ich in solcher Deutlichkeit nicht erwartet hatte. Zudem war mein Gewicht leicht gesunken.
Kontrolliert habe ich die BZ-Verläufe mit meinem Dexcom CGMS, einem kontinuierlichen Glukosemesssystem, dass ich seit Februar trage und das mir seitdem alle „Schandtaten“ in Bezug auf Ernährung und Insulin gnadenlos offenlegt.
Angespornt durch die Ergebnisse habe ich einfach weitergemacht mit Low Carb. Zunächst nach den Empfehlungen der Logi Methode, die in meinen Augen sehr praktikabel ist, weil sie die KH sehr moderat reduziert.
Leider ist in dieser Zeit ein Familienmitglied an Krebs erkrankt, so dass es sich ergeben hat, dass ich mich interessehalber näher mit der Ernährung bei Krebs beschäftigt habe. So bin ich auf Informationen über ketogene Ernährung gestoßen, die ich hoch interessant fand. Vor allem was die Leute, die sich derart ernährten, an Erfahrungen mitteilten. Es ging nicht nur um Krebspatienten, sondern unter anderem auch um Diabetiker und Ausdauersportler, die sich nahezu frei von Kohlenhydraten ernährten. Das Thema fand ich so faszinierend, dass ich kurzerhand beschlossen habe, es auszuprobieren.
LCHF war die Strategie, die ich mir zu Eigen machen wollte. Ich habe mich allerdings zunächst darauf beschränkt, an den 5 Arbeitstagen strenges LCHF zu machen und am Wochenende etwas liberaler mit den Kohlenhydraten umzugehen. Das führt zwar nicht ganz zum optimalen Ergebnis, aber für den Blutzucker war es dennoch sehr gut und für den Gewinn neuer Erkenntnisse allemal. Das eigentliche Ziel von LCHF ist es, den Stoffwechsel in eine ketogene Phase zu bringen, was wahrscheinlich nicht der Fall ist, wenn man die KH Menge zu großzügig bemisst.
Wer sich nun näher mit LCHF beschäftigt und die allseits bekannten Ernährungsempfehlungen im Ohr hat, der wird natürlich zunächst zusammenzucken. Der Energieanteil, der bisher über Kohlenhydrate eingenommen wurde, wird bis auf wenige Prozente durch geeignete Fette ersetzt.
Ist das nicht ungesund? Nee, ist es offensichtlich nicht. Nur scheint das Ernährungsestablishment und die Mediziner uns das so noch nicht eingestehen zu wollen, hat man doch jahrzehntelang das Gegenteil gepredigt. Mit dem Ergebnis, dass die Bevölkerung immer übergewichtiger wurde, je lighter sie gegessen hat. Wahrscheinlich grübeln die Herrschaften noch, wie man das beichten soll ohne zu dumm da zu stehen. Für mich entscheidend waren die Ergebnisse, die ich mit dieser Ernährung erzielt habe.
Ich bin für mich als Büromensch von einem täglichen Energiebedarf von 2.000 kcal ausgegangen, woraus ich für mich die folgende Makronährstoffverteilung errechnete: Pro Tag nahm ich ca. 20 g Kohlenhydrate, 80 g Protein und 180 g Fett zu mir. Ja, klingt unglaublich. Der Eiweißanteil ist sogar niedriger als von der DGE empfohlen, dafür ist der Fettanteil ungewohnt hoch und es ist ehrlich gesagt gar nicht so einfach, soviel Fett zu essen. Da Fett ein Geschmacksträger ist, fallen die Mahlzeiten allesamt sehr schmackhaft aus.
Was aber noch wichtiger ist, es macht sehr lange satt, weil es relativ langsam verstoffwechselt wird.
Natürlich macht es auch etwas mehr Mühe, weil man fast alles frisch zubereitet und auch die Vorratshaltung angepasst werden muss. Sehr deutlich wird dabei auch, wie sehr unsere Gesellschaft auf den Konsum von Kohlenhydraten getrimmt ist. Während man die Ernährung zu Hause leicht selbst gestalten kann und man im Restaurant bei der Bestellung ein paar Sonderwünsche äußert bzw. die „Sättigungsbeilage“ weglässt, wird es recht schwierig geeignetes Essen zu finden, wenn man unterwegs mal auf die Schnelle etwas im Vorbeigehen essen möchte, also Imbiss oder so. Da gibt es fast nichts ohne Kohlenhydrate. Selbst die „traditionelle“ Bratwurst hat einen „Griff“ aus Brot.
Letztlich hat der Versuch mir aber gezeigt, dass das alles machbar ist, wenn man sich nur darauf einlässt und die Sache positiv angeht und etwas vorbereitet und plant. So undenkbar es vorher war auf die geliebte Pasta oder ab und zu mal ne Pizza oder andere heißgeliebte KH Speisen zu verzichten, so überraschend war die Erkenntnis, dass ich selbst nach Wochen noch nichts davon wirklich so vermisst habe, als dass mir das irgendwelche Probleme bereitet hätte. Mein Süßhunger war komplett verschwunden und wo ich zuvor ständig das Gefühl hatte, ich müsse etwas Süßes naschen, war dieses Gefühl in kurzer Zeit vollkommen verschwunden.
Was aber absolut entscheidend war, meine Blutzuckerverläufe hatten sich enorm verbessert. Mein HbA1c, also mein durchschnittlicher Langzeitblutzuckerwert, lag plötzlich bei 6,1% und das nicht etwa, weil ich ihn mit Hypos (Unterzuckerungen) getunt hatte.
Die Blutzuckerkurve bewegte sich bis auf wenige Ausnahmen fast ausschließlich in meinem Zielbereich, postprandiale Spitzen gab es nicht mehr, Hypos auch kaum noch. Und wenn es Hypos oder besser gesagt Abweichungen nach unten gab, dann fielen diese so zahm aus, dass ich sie durch die Einnahme einzelner Gummibärchen ganz kontrolliert auf den Zielwert zurückbiegen konnte. Die Alarme meines CGM Systems bekam ich gar nicht mehr zu hören.
Ich hatte also nicht nur bessere Werte nach oben, sondern auch deutlich mehr Sicherheit und Stabilität nach unten. Die Standardabweichung und damit die Schwankung meiner Werte hatte sich ganz drastisch verbessert.
Das alles führte auch dazu, dass ich keine Resistenzen mehr hatte, die durch lange Phasen im hohen Wertebereich entstehen. Insgesamt hatte sich durch diese Ernährung mein Insulinverbrauch etwas reduziert bzw. meine Insulinempfindlichkeit etwas erhöht.
Um das Ganze nicht nur in Worten zu beschreiben, habe ich folgende Grafiken angefertigt, die auf Daten basieren, die dem Protokoll meiner Insulinpumpe bzw. meines kontinuierlichen Glukosemessgerätes entstammen.
Es handelt sich dabei um die Grafiken Standardtag über 4 Wochen und die Trendübersicht über 4 Wochen eines Medtronic Insulinpumpenprotokolls, jeweils vom Januar 2015 und von Mitte Juni bis Mitte Juli 2015. Also einmal aus einer Zeit als ich noch weitgehend die für Diabetiker empfohlene Mischkost eingehalten habe und dann aus der Zeit in der ich mich weitgehend kohlenhydratarm bis kohlenhydratfrei ernährt habe (inklusive der einen oder anderen “Verfehlung”).
Auch wenn man sich mit den Grafiken auf Anhieb nicht auskennt, erkennt man leicht den Unterschied. Mit wenigen KH ist der Blutzuckerverlauf im Durchschnitt deutlich niedriger und hat weitaus weniger Schwankungen bei einer geringeren Bandbreite der Schwankungen.
Ich war allerdings sehr überrascht, dass auch für Fett und insbesondere Eiweiß Insulin benötigt wird. Das geht in einer kohlenhydratbetonten Ernährung oft unter, weil es in den individuellen Berechnungsfaktoren für einen durchschnittlichen Fett- und Eiweißanteil schon irgendwie berücksichtigt ist. Nur wenn es dann mal fetter oder eiweißreicher wird, wundert man sich über die hohen Blutzuckerwerte.
Ich hatte in dieser Zeit absolut nicht das Gefühl, dass ich auf etwas verzichte. Manch einer mag vielleicht annehmen, dass so viel Fett in der Nahrung eklig ist. Ist es aber nicht. Das Essen schmeckte echt gut, denn Fett ist ein Geschmacksträger. Ich glaube es ist eine Kopfsache, dass wir uns mit so einer Ernährung unter Umständen etwas schwerer tun. Wir sind seit Jahrzehnten darauf getrimmt worden Fett als etwas anzusehen das krank macht. Erfahrene LCHFler bestätigen übrigens, dass ihre Blutwerte, insbesondere die Blutfettwerte sich deutlich gebessert haben, seit sie sich nach LCHF ernähren. Eigentlich sollte nach konventioneller Lehrmeinung das Gegenteil der Fall sein.
Es mag Diabetiker geben, die ihren Blutzuckerverlauf mit den herkömmlichen und in der diabetologischen Ernährungsberatung empfohlenen Methoden gut in den Griff bekommen. Bei mir hat das bisher trotz aller Anstrengungen nicht zufriedenstellend und reproduzierbar gut funktioniert. Die Wirkung von Vollkornprodukten wird zumindest in meinem Falle, gemessen an den Ergebnissen, die ich mit KH reduzierter Ernährung erreiche, vollkommen überbewertet. Deshalb ist eine KH-reduzierte Ernährungsform für mich das Mittel der Wahl, um die angesprochenen Probleme in den Griff zu bekommen.
Typ-1-Diabetes
Lasst uns die Erfolge feiern, wie sie fallen – ausgiebig und mit viel Glitter. Wenn dir deine Verbesserung und dein Fortschritt viel bedeutet, dann ist das immer eine Fanfare wert, die nicht laut genug sein kann. Genieß das!
Wichtig: Wenn dir manche Namen etwas merkwürdig vorkommen, dann dürfte es daran liegen, dass in den Texten die Namen verwendet wurden, die diese Menschen auch im Forum verwenden. Da kann man sich nämlich selbst ausdenken, wie man heißen möchte. Da sie gleichzeitig zumindest etwas Privatsphäre behalten möchten, bot sich die Verwendung dieses Kunstnamens für die Erfolgsgeschichten an.
Ich bin jedenfalls mittendrin und voll dabei und darum feier ich diese Erfolge mit LCHF mit größter Begeisterung. Lies dich da mal ein, das ist wirklich atemberaubend: